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    Bericht aus den Stuttgarter Nachrichten vom 16.07.2001

Am Schirm vom Turm: "Das ist Adrenalin pur''

Wind macht Springern am Fernsehturm zu schaffen

Nur 20 Sekunden Nervenkitzel liegen zwischen der Plattform
des Fernsehturms und dem schmalen Besucherparkplatz am
Fuße des Stuttgarter Wahrzeichens - zumindest für die zehn
Himmelsstürmer um den Möhringer Weltmeister Klaus Renz.
Sie überwanden die 150 Höhenmeter am Samstag mit dem
Fallschirm.

VON ALEXANDER HETTICH

Kommen sie, oder kommen sie nicht? Mehrere tausend
Zuschauer haben sich, teilweise mit Kamera und Fernglas
ausgerüstet, unter dem Fernsehturm versammelt und recken
die Hälse gen Himmel. Dort sind an diesem Samstagmittag
dunkle Wolken aufgezogen. Nur Wind und Regen können die
spektakuläre Premiere noch verhindern: Den ersten
Fallschirmsprung von einem Gebäude in Baden-Württemberg.

Doch dann kommen sie wirklich. Klaus Renz,
Fallschirm-Weltmeister aus Möhringen, klettert als Erster in
150 Meter Höhe am Geländer entlang, um die richtige
Startposition zu finden. Es folgt das, was der 33-Jährige nach
eigenem Bekunden schon "genau 4357-mal'' gemacht hat,
allerdings meist aus einem Flugzeug: Absprung, gespannte
Stille unterm Turm. Nach einer knappen Sekunde freiem Fall
öffnet sich der weiß-blaue Schirm, der Rest ist Routine. Unter
dem Beifall der Besucher manövriert sich der "Schirmherr''
durch die dichten Bäume und landet punktgenau auf dem kleinen
Parkplatz am Fuße des Turms.

"Das Gefühl war einfach sensationell'', strahlt der
Sprung-Pionier nach dem 20 Sekunden langen Flug zwischen
Antenne und Erde. Über allen Kontinenten ist Renz schon am
Schirm gebaumelt. Trotz aller Routine sei er vor dem Sprung
übers Turmgeländer "extrem angespannt'' gewesen: "Das ist
Adrenalin pur.'' Zumal Base-Jumping, so heißt das Hüpfen von
Brücken, Gebäuden oder Felswänden im Fachjargon, keine
leichte Übung darstellt.

Für das Base-Jump-Fest hatte Renz neun Ausnahmespringer
aus Deutschland, England und Frankreich gewinnen können, die
sich am Samstag fast im Minutentakt von der Plattform
stürzten. Die für Sonntag geplanten Sprungstaffeln mussten
allerdings wegen des Dauerregens ausfallen. Für Marc Audap
aus Paris war aber auch nur ein Tag Marathonspringen
Herausforderung genug. Der 28-Jährige ist sogar schon vom
Eiffelturm geschwebt. Vor dem deutlich kleineren Fernsehturm
hat er Respekt: "Durch den kleinen Landeplatz und den starken
Wind ist der Sprung nicht ganz ungefährlich.'' In der Tat:
Mehrere Springer mussten, vom Winde verweht, mit dem
Notlandeplatz östlich des Turms vorlieb nehmen. Ernstlich
verletzt wurde niemand.

Die Zuschauer konnten sich von Nervenkitzel und Genickstarre
bei Bratwurst und Fassbier ausgiebig erholen. Der
Südwestrundfunk, Eigentümer des Turms, hatte aus Anlass des
Sprung-Spektakels zum Sommerfest geladen. Für musikalische
Unterhaltung sorgte das Städtische Blasorchester Backnang.
Einen weiteren Paukenschlag plant auch Klaus Renz: "Ich will
noch in diesem Jahr von der Eigernordwand springen.'' Und
vielleicht bald von der Stuttgarter Nordwand? "Wenn der
Trump-Tower gebaut wird, übernehme ich die Einweihung.''

 


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