300ER-WELTREKORD
Auch aus den beiden Öffnungen der Nasenkanülen war ein leichter Luftzug zu spüren, es floss also Sauerstoff. Vielleicht war ich auch nur irgendwie nervös und aufgeregt. So lange wie bei diesem Sprung hatte ich noch nie den Sauerstoffschlauch dran gelassen. Erst als die anderen schon rauskletterten und ich ganz an der Türe war, zog ich den Schlauch ab, verstaute ihn und schloss das Visier. Jetzt nur langsam durch die Nase einatmen, die Luft anhalten und vorsichtig durch den Mund und den Ausgang des Helmes ausatmen. Alles nur kein vereistes Visier, dachte ich. Meine persönliche Anti-Vereisungsmethode hatte bisher immer gewirkt, und ich hoffte, dass es auch diesmal so funktioniert.
Die „Floater“, so nennt man die Springer, die bereits außen an der Maschine Aufstellung genommen hatten, sprangen ab, und wir anderen stürzten hinterher. Als ich aus der Türe war, hielt ich für ein paar Sekunden die Luft an und riskierte einen kurzen Blick auf die Verfolgermaschinen. Ein unglaubliches Bild bot sich mir. Alle Flugzeuge spuckten kleine Punkte, wie an einer Perlenkettehängend, aus. Da kamen also meine Kollegen der Rekordjagd-Partei. Fantastischer Anblick, dachte ich und atmete vorsichtig durch den Mund aus und durch die Nase wieder ein.
Die Basis war schön auf meiner linken Seite, wie aus den vorherigen Sprünge gewohnt, zu sehen. Die ersten Springer dockten bereits an, und ich flog in meinen Sektor. Diesmal durfte ich ja nicht nach Tom suchen, sondern Philip, der ja Toms Position einzunehmen hatte. Hoffentlich machte er keine Flugfehler. Bei so wenig Briefing fast unmöglich, dachte ich. Dann entdeckte ich ihn, allerdings ein Stück zu weit rechts von da, wo er eigentlich hin gehörte. Zum Glück merkte er es, nahm seinen Slot in der Formation ein. Dave, mein Partner zur Rechten und ich schlossen kurz darauf unsere Griffe. Ricardo, unser Team-Kapitän, musste wiederum an mir festhalten und auch ihn spürte ich sofort. Es schien alles so schnell, wie noch nie zu gehen.
Fast ohne größere Spannung flog die immer weiter wachsende Formation. Wahnsinn, so ruhig hatte ich es noch nie erlebt. Das sind die besten Vorraussetzungen, dass es diesmal klappen könnte. 3.200 m zeigte mein Höhenmesser auf dem Handrücken, als ich eine kurzen Blick drauf riskierte. Auf der Gegenseite flogen noch vereinzelt die letzten Springer an, die ich im Sichtfeld hatte. Als auch diese dran waren, suchte ich aus den Augenwinkeln fehlende Springer , die noch im Anflug waren oder bereits, wie so oft bei früheren Sprüngen, tiefer waren. Ich entdeckte nichts. Was hinter mir los war, konnte ich nicht sehen, aber ein unbeschreiblich hoffnungsvolles Gefühl stellte sich bei mir ein. Wenn nicht jetzt, wann denn dann.
|
|
|
|