300ER-WELTREKORD
Die Formation arbeitete unheimlich. Mal war die eine Seite höher als die andere, dann wieder schob es uns zusammen. Zuviel Spannung gab es an einigen Stellen, und ich konnte sehen, wie ein paar Springer auf der gegenüberliegenden Seite sich übereinander schoben. Dadurch nahm der untere dem oberen die Luft weg, dieser fiel auf ihn drauf und ab ging es in die Tiefe. Das nennt man einen „Funnel“, also ein Einklappen, bei dem die Springer übereinander stürzen und in die Tiefen gehen. Einmal da unten, müssen sie schauen, dass sie sofort wegkommen, um nicht noch mehr Springern die Luftströmung zu unterbrechen. Andere konnten die langsame Fallrate nicht ausgleichen und waren ebenfalls tief. Es war klar, dass es nicht perfekt laufen würde, aber keiner erwartete es. Man muss sich zuerst auch auf diese anderen Umstände einspringen und ein Gefühl dafür entwickeln. In 2.100 m über Grund zog George mitten aus der Formation seinen Schirm und das Zeichen zum Separieren war gegeben. Als ich in 800 m am geöffneten Fallschirm hing und rund um mich herum die vielen bunten Schirme sah, war der schlechte Sprung vergessen. Ich genoss den Anblick und hielt ständig Ausschau, um nicht mit einem anderen zu kollidieren.
Beim Debriefing, also der Nachbesprechung des Sprunges lief es nun wie auch bei den Übungssprüngen. Zuerst im kleinen Kreis seiner Gruppe, dann holte sich der Sektor-Kapitän die Anweisungen der 3 Chefs und kommunizierten diese wieder in unseren Zelten an uns weiter. Kurz darauf folgte schon wieder der Aufruf zum nächsten Sprung. Noch einmal ein kurzes Briefing in kompletter Montur vor der Halle und ab in den Flieger. Mit 22 Leuten saß man sehr beengt auf den zwei Klappbänken. Nur die auf den hintersten Plätzen an der Türe saßen auf dem Boden. Sie hatten auch die schlechtesten Karten, denn an der Türe zog es eiskalt herein. Zu kalt und zugig war es auf Dauer und so wurden Decken besorgt, mit denen die großen Schlitze der Rolltüre abgedichtet wurden. Ein ausgebreiteter Schlafsack war dann noch eine zusätzliche Isolationsschicht unter der sich die Springer ein wenig schützen konnten. Irgendwie saß man auch dauernd schräg in dem Flieger. Mal schlief einem die Hand ein, mal war es das Bein und mal beides. Die einzige Bewegung, die man uneingeschränkt machen konnte, war das Lutschen eines Bonbons. Wir waren nicht etwa alle süchtig nach Süßigkeiten, sondern hielten dadurch unsere Atemwege feucht. Der Sauerstoff, den wir über 30 Minuten einatmeten, hatte zur Folge, dass man nach einiger Zeit das Gefühl hatte, alles klebe im Mund und Rachen zusammen. Bonbons waren da nicht nur eine ideale, sondern mehr als angenehme Lösung. Ohne Sauerstoff ging es nun mal nicht. Wenn man bedenkt, dass bereits in 5.500 m die Luft nur noch 50% des Sauerstoff im Vergleich zum Boden enthält, dann waren wir sehr darauf bedacht, genug davon einzuatmen. Jeder tat dies auf die ihm angenehmste Weise. Entweder über die Nasenkanülen im Helm, separate Atemmasken oder einfach den Schlauch in den Mund nehmen.
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